Wie Bleeching das Theater rettet

Nun endlich ist es soweit: Es folgt der Schritt auf die Bühne. Der erste kräftige Schluck nach der Abstinenz, der den zitternden Händen wieder Frieden gönnt: Das witzige Festival findet statt (!!!), jenes spektakuläre Festival, das im COMEDIA Theater am 18. September den Roten Saal unsicher machen wird.

Und das tut gut! Denn der Weg dahin war lang, man könnte fast sagen „steinig und schwer“, aber auf das Zitieren von Xavier Naidoo können wir dieser Tage gerne verzichten. Es waren Monate, die einer Zerreißprobe glichen, einem Seiltanz zwischen Euphorie und Hoffnungslosigkeit, Solidarität und Ungerechtigkeiten.

Alles begann an diesen Tagen, an die wir uns alle noch erinnern können, in denen es erst ganz langsam und dann auf einmal doch sehr schnell ging:

Ich laufe zu jener Zeit, abends gegen 21 Uhr, gerade nach einem Spaziergang nach Hause, als beinah gleichzeitig alle Menschen ihre Fenster öffnen und applaudieren, rufen und johlen, richtig laut Krawall machen und ich mir denke: Das kann doch nicht sein, dass die jetzt alle bei unserem letzten Auftritt waren – richtig laut war es, wie im Stadion – aber na klar, sie vermissen es. Und unser letzter Auftritt war einfach unglaublich.

Ich habe mich verbeugt, zurückgewunken und noch laut gerufen: „Wenn alles gut geht, sind wir im September wieder für euch da!“ – Bis dann einer schrie: “Geh nach Hause, für wen schränk ich mich hier eigentlich ein, Idiot?!”

In diesem Moment wusste ich noch nichts von der Aktion, für die systemrelevanten Menschen am Fenster zu klatschen. Beschämt und mit räudig gesenktem Kopf bin ich dann einfach auch ins “Homeoffice” gerannt.

Ein Schauspieler im Homeoffice? Wie sieht das aus? Die meisten Schauspieler*innen haben panisch zur Handykamera gegriffen und sich selbst, teils etwas verschlafen und mit fürchterlichem Sound, beim Vorlesen gefilmt. Nein, ich will, genauso wie alle anderen Menschen auch, in diesen historischen Zeiten Zuhause am Laptop sitzen.

Als ich ins Homeoffice komme sitzt Nils an meinem Laptop und fragt:

“Sag mal, was ist denn das hier im Suchverlauf? Was zur Hölle hast du da gegoogelt?
14:05 Uhr: ‘Sarah Lombardi Zähne’,
14:06: ‘Sarah Lombardi weiße Zähne’,
16:40: ‘Sarah Lombardi Bleaching Product’. Was soll das?”

“... ich, äh, habe gearbeitet. Das äh ... war Recherche!”

“Recherche?”, fragt Nils.

“Ja, ich dachte da an ‘ne Szene!”

“Mit Sarah Lombardi?”

“Ja, also ich hab mir Gedanken gemacht … und dachte, da die Bundesregierung uns so gar nicht unter die Arme greift und wir irgendwie Geld verdienen müssen, bauen wir in unser nächstes Stück Produktplatzierungen ein. In einem unerwarteten Moment, ja, zum Beispiel: Shakespeares Richard der Dritte, finale Ansprache an seine Soldaten: ‘Noch einmal stürmt, noch einmal. Im Frieden kann sowohl nichts als Milde und bescheidenes Bleaching eines Mannes kleiden’. … Und dann tritt Sarah Lombardi mit dem Bleaching Produkt auf, und wir singen ein Duett … !”

“Aha ...!”

Ich schnappe mir Nils‘ Laptop.

“Aha, aber selbst. WTF! Was bist du fürn Wierdo: Gestern, 12:20 Uhr: ‘Wenn meine Schwester mit ihrem Freund badet und Wasser gurgelt, besteht die Gefahr einer Mundhöhlenschwangerschaft?’”

“Das war ... äh ... Recherche … man ey”

“12:40 Uhr: ‚Wurde Philipp Amthor wirklich als Kind im Bundestag vergessen?‘ 12:45 Uhr: ‘Wurde Philipp Amthor von Jan Böhmermann inszeniert?’, 12:50 Uhr: ‘Philipp Amthor singt Highschool Musical?’”

“ES REICHT! DAS WAR RECHERCHE!”, brüllt Nils.

Unangenehme Stille.

“Ok. Dann fasse ich unser nächstes Stück also mal zusammen. Wir beginnen, ganz klassisch Theater-mäßig mit einem kleinen Werbeblock für Bleaching Produkte. Philipp Amthor betritt die Bühne, ist auf Erfolgskurs. Mit seinem mecklenburg-vorpommerschen Schützenverein will er Angela vom Thron stoßen.

Bei einem Stammtisch lernt er Sarah Lombardi kennen, die sich in ihn verliebt. Trotz Gesichtsmaske kommt es zu einer ungewollten Mundhöhlenschwangerschaft. Auf ewig verbunden fassen sich Philipp und Sarah an der Hand und während Philipp eine Träne über die Wange kullert, singen sie im großen Finale auf der Kuppel des Bundestages High School Musical:”

“We’re all in this together, once we know, that we are, we are all stars.”

Der Plan für das nächste Stück steht schon mal, wir geben die Kunst noch nicht auf. Obwohl wir nicht so eine große Lobby haben wie Philipp Amthor, geschweige denn die Lufthansa:

Veranstaltungsbranche: 3 Millionen Erwerbstätige –
210 Milliarden Euro Umsatz – 1 Milliarde Hilfe

Lufthansa: 35.000 Beschäftigte –
16 Milliarden Umsatz – 9 Milliarden Hilfe

Aber wir schlagen zurück! Mit Pauken und Trompeten (und natürlich 6 Meter Sicherheitsabstand wegen der Blasinstrumente), am 18. September: Das witzige Festival.

Text. David Vormweg und Nils Kretschmer sind Schauspieler und ein preisgekröntes Comedy-Duo, das mit seinem Programm regelmäßig den Roten Saal des COMEDIA Theaters füllt.

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